Zeit ist Fisch - effektive Shortsessions

31.05.2023 20:12

Zeit ist Fisch

Ich saß mal wieder am Wasser und blätterte die aktuellen Fangmeldungen durch. Kaum wurde das Wetter besser und die Fische aktiver, explodierte auch WhatsApp mit diversen Fangmeldungen. Schon Wahnsinn, was gerade abgeht, dachte ich mir. Ich erinnere mich an Zeiten zurück, in der man Tage- über Tage am Wasser verbrachte. Die Zeit ist knapp geworden, bei vielen von uns. Familienurlaub, Familienzuwachs, Termine, Arbeit und viele andere Faktoren, welche die Angelei nachhaltig beeinflussen. Man denkt sich immer: Mensch, wenn ich nur die Zeit hätte. Zumindest früher dachte ich so. Dieses Kribbeln im Bauch und in den Fingern, wenn man sieht, wie andere grade fangen. Und vorallem wie man sich am besten so zeitnah wie möglich Zeit für die nächste Session freischaufeln könnte.

Wieviele gescheiterte Existenzen in der "Szene" oder im Freunde und Bekanntenkreis hat man schon gesehen, Beziehungen die zu Bruch gingen, teilweise sogar Jobs verloren, weil diejenigen Tage und Wochenlang am Gewässer hockten, ohne Rücksicht auf Verluste. Ich habe den Eindruck, dass es sogar viele Karpfenangler gibt, die das Wesentliche aus dem Auge verloren haben. Einfach am Wasser sein, die Ruhe genießen. Wobei die Ruhe für mich ein ganz wesentlicher Faktor geworden ist. Viel mehr wert, als jeden Tag irgendwelche Big Fish Bilder zu posten und sich am täglichen Social Media Wahnsinn zu beteiligen. Sicherlich gibt es einem dieses befriedigende Gefühl, aber es ist eben nicht alles. Und Fisch fangen will ja auch jeder, wenn er schon so viel Zeit am Wasser opfert.

Teilweise hatte ich selbst sogar zwischendurch die Lust am Angeln gänzlich verloren, weil mir vieles nur noch auf die Nerven ging. Grade bei kleineren Gewässern bis 10ha. Man kommt am Freitag Abend am Gewässer an und man muss schon gucken, ob man überhaupt noch eine freie Stelle abbekommt, weil die ganzen Big Fish Hunter schon Donnerstag-Abend aufgetackled haben. Selbst wenn - häufig wurde einem noch jegliche Möglichkeit genommen, eine der "Zweite-Wahl" Stellen zu befischen, da der halbe See förmlich mit Schnüren abgespannt wurde. Jetzt noch eine Konfrontation am Wasser, alles so Sachen auf die ich überhaupt gar keinen Bock hatte. Der zweite Punkt für mich war dieses ständige Gerödel ins Auto einzuladen, auszuladen, ans Wasser zu karren, aufzubauen, abzubauen. Und das alles noch mit dem Hintergedanken im Kopf, ob man denn überhaupt noch einen Platz am See findet. Schon der Gedanke daran treibt mir die Schweißperlen auf die Stirn. Was hab ich geflucht, als mir mein randvoller Trolly in den Busch kippte, mitten in ein Erdwespennest und mich die Biester erbarmungslos gestochen haben, als ich mein Tackle wieder eingesammelt habe. Wer kennt es nicht - es gehört leider nunmal dazu. Oder gibt es vielleicht doch einen anderen Weg?

Daher fing ich an, meine Angelei etwas umzustellen. Das Gewässer was ich hauptsächlich befischte, hatte keine 10ha mit einer relativ hohen Fischdichte. Aber eben trotzdem nicht einfach. Viel Kraut, Hindernisse und eben dieser immens hohe Angeldruck. Was man immer recht gut beobachten konnte, dass gerade am Wochenende gar nicht so viel Fische gefangen wurden. Wenn 1-2 Fische gefangen werden, ist das schon recht gut - Ausnahmen bestätigen natürlich immer die Regel. Gerade in den warmen Monaten war es auch oft zu beobachten, dass die Fische tagsüber sichtbar über dem Kraut standen oder in den üblichen Ecken des Gewässers und sich für unsere Köder rein gar nicht interessierten. Die Bisse kamen eher in den frühen Morgenstunden bis in den Vormittag oder eben am Abend bis in die Nacht. Ausgenommen sind natürlich trübe und regnerische Tage, welche ich persönlich sogar ganz besonders bevorzuge.

Wenn ich also wenig Zeit habe, warum beschränke ich nicht einfach meine Zeit effektiv und gebündelt genau auf eben diese Zeitfenster? Der zweite Punkt ist auch wieder die Zeit. Warum soll ich mir am Wochenende den Arsch platt sitzen und mich mit anderen Anglern rumärgern?

Der für mich mit Abstand beste Angeltag ist der Sonntag Abend. Alle Angler sind verschwunden, meistens zumindest. Futterreste werden teilweise abgekippt und verbrannte Erde hinterlassen. Oftmals kann ich ganz gut beobachten, wie die Aktivität (die ich auch vom Wochenende kenne) schon am Sonntag Abend völlig anders ist. Rollende Fische und riesige Blasenteppiche. Am Wochenende zwar auch zu beobachten, aber bei weitem nicht in diesem Maße. Wenn ich Urlaub habe, nutze ich oftmals auch besonders die frühen Morgenstunden mitten in der Woche, wo ganz genau dasselbe zu beobachten ist. 5 Uhr, spätestens 6 Uhr am Wasser, eine herrliche Zeit. Die Sonne geht auf, das Wasser erwacht zum Leben, die stille Natur, kein wildes Gewusel an anderen Menschen am Wasser. Ich liebe es. Die freie Platzwahl am See, oft juckt es mich schon in den Fingern und man will gleich am erstbesten Punkt aufbauen. Aber ich nutze die Zeit, schaue kurz. Wo sieht man vielleicht Fisch, wo könnten sich die Fische gerade aufhalten. Ich glaube, den Gedanken an die Angelei haben viele mitunter mittlerweile vergessen. Oft wird nur geschaut, wo man am besten sein Lager aufschlagen kann, um gemütlich zu sitzen mit Grill und seinem ganzen Kladderradatsch. Luftdruck, Windrichtung, das sind vielleicht noch Punkte die der ein oder andere beachtet. Mir ist es relativ egal. Kurzum: irgendwann müssen die Fische fressen. Zumal ich diese Punkte nicht beeinflussen kann. Gerade heute, wo ich diesen Text schreibe, komme ich von einer kurzen Session am frühen Morgen und konnte trotz Verhältnismässig hohem Luftdruck einen schönen Spiegler mit etwas über 13kg fangen (und das Ganze innerhalb von etwa 1.5h).

Ich habe mich dabei auch mit meinem Tackle erheblich eingeschränkt. Früher nur mit Boot am Gewässer, mittlerweile verstaubt es in der Garage. An Regentagen habe ich maximal einen Brolly dabei, welches außer mit Sturmstangen total unbefestigt irgendwo aufgebaut ist. Nur Banksticks, lange und kurze, die in der Rutentasche immer Platz finden. 10ft Ruten, fertig gebaut, sogar die Rigs schon oft vorher beködert in einer Dose. Abhakmatte, Trolly, einen bequemen Stuhl, einen Eimer Boilies (Grüsse an Herrn B., dem Eimerfetischisten) und meine Tasche, in der sämtlicher Kleinkram inkl. Bissanzeiger seinen Platz findet. Achja und eine Thermoskanne mit Kaffee natürlich, so spare ich mir das Kochgeschirr für die paar Stunden, die ich am Wasser bin.

Alles in allem eine perfekte Kombination, mobiles Angeln, ich schaffe es mittlerweile in 15min auf und abzubauen und mal eben auf eine andere Stelle zu moven, wenn ich merke, dass auf meiner Stelle doch nicht so viel Aktivität ist, wie ursprünglich gedacht. Man optimiert, wie man kann. Wenig Aufwand, wenig Tackle. Auf ein Boot verzichte ich komplett und ich hätte niemals gedacht, dass es dazu mal kommt, grade als eingefleischter Bootsangler. Man gewöhnt sich tatsächlich daran. Positiv ist auch, dass ich die Fische nicht verschrecke, wenn ich Ewigkeiten mit dem Boot auf dem See rumdümple und genau diesen Effekt habe ich dort oft beobachtet. 



Schon in kurzen Zeitfenstern konnte ich so Fische fangen, was ich niemals für möglich gehalten hätte. Eine durchschnittliche Session beträgt bei mir ca. 3h. Die Zeit lässt sich auch mal nach Feierabend freischaufeln innerhalb der Woche. Wenn ich 5-6h Zeit habe, nutze ich diese auch noch einmal ganz anders und befische 2 Stellen. Ob ich fange oder nicht - ich move zur Halbzeit. Wenn ich Fisch fange, ist es eh unwahrscheinlich, in so kurzer Zeit erneut einen Fisch am selben Ort zu fangen. Nicht ausgeschlossen, aber die Chancen minimieren sich.

Genauso eben meine Futterstrategie. Was ich immer wieder beobachte bei den meisten Anglern ist eben dieses punktuelle Füttern. Finde ich für meine Angelei absolut suboptimal. Im Prinzip muss ich hoffen, dass in meinem kurzen Zeitfenster ein Fisch genau auf diesem halben Quadratmeter, wo eben meine Rute liegt, zufällig vorbeischwimmt. Und auch zufällig Lust darauf hat, überhaupt Futter aufzunehmen. So darüber nachgedacht, minimieren sich meine Chancen auf einen Fisch enorm. Ich setze eher auf Fläche und wenig Futter. Mit 16mm Boilies lassen sich schön große Flächen anlegen, ohne wirklich viel Futter einzubringen. Große Spuren, teilweise in die Krautfelder hinein bis zu meiner Rute finde ich hingegen viel effektiver, um den ein oder anderen Fisch aus seiner Reserve und Sicherheit im Kraut zu locken. Dazu Fische ich fast ausschließlich Snowman-Montagen. Zusätzlich lässt sich auch hervorragend mit dem Premium Teig arbeiten, etwas um den Boilie selbst oder halt um das Blei. Wenn ich auf ganz kurze Distanz fische, nutze ich zum Beispiel ein klassisches Katapult, um mein Futter auszubringen. Selbst attraktives, mit Liquid gesoaktes Futter lässt sich so optimal am Platz verteilen.

Mein absoluter Favorit ist dabei der MaximumQ und die passenden Soaked Hookbaits. Genau abgestimmt auf meine Angelei, schenke ich diesem Köder mein vollstes Vertrauen. Eben genau für diese Angelei konzipiert, setzt man bei diesem Boilie auf alle möglichen Attraktoren, um vielleicht den finalen Fressreiz von Fischen auszulösen, welcher vielleicht gar nicht aktiv auf der Futtersuche war aber eben am Platz vorbei kommt bzw. auf das großflächig verteilte Futter trifft.

 MaximumQ Hookbaits

Wobei wir beim springenden Punkt sind. Optimierung. Nicht nur das Tackle sondern einfach die Zeit effektiv nutzen. Oder besser gesagt optimal. Wozu die Mittagshitze, in der zu 95% eh nichts laufen wird. Wozu länger ausharren, wenn nichts läuft. Mittlerweile eine Angelei, für die ich persönlich irrsinnig brenne. Nicht immer fängt man, aber wenn ich mir ansehe, was ich im Verhältnis zu den Wochenend-Anglern am Gewässer fange, kann ich mehr als zufrieden sein. Und es befriedigt ungemein, wenn sich der Fangerfolg in so kurzer Zeit einstellt.

Ein Satz den man oft von Nicht-Anglern hört: Ist das nicht langweilig, die ganze Zeit am See zu sitzen und zu warten? Eigentlich nicht. Abgesehen davon, wenn ich wirklich ganz früh ans Wasser fahre (gegen 4 Uhr zb), wo ich dann sogar auch mal eine Liege mitnehme und ein, zwei Stunden schlafe, bin ich die ganze Zeit damit beschäftigt, das Wasser zu beobachten, Fischaktivitäten zu deuten oder Rückschlüsse daraus zu ziehen. Oder aber mir die ein oder andere Strategie überlegen. Moven? Oder zweiten Spot füttern und gucken, ob sich dort was tut und eine Rute nochmal vom Spot zu verändern.

Der positive Nebeneffekt ist es auch noch, dass ich einen Blank nicht als so negativ empfinde. Passiert halt. Wesentlich mehr würde es mich ärgern, wenn ich das ganze Wochenende total blank am See hocken würde.

Einen kleinen Bericht zu meiner bevorzugten Montage findet ihr hier:
https://carpshop.net/Aus-dem-Schlamm-perfekt-gehakt



Zeit ist eben Fisch, das ist Fakt. Aber wer nutzt die Zeit tatsächlich effektiv?

Tight Lines, wünscht euch Marc!


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